Flensburg, Juli 2015: Internationale Tagung über Märchen und andere Narrationen in und über Westafrika

Vom 02. – 04. 07. 2015 fand an der Europa-Universität Flensburg eine Tagung statt zum Thema: „Märchen und andere Narrationen in und über Afrika“

„Mein Märchen springt hin und her – und setzt sich schließlich auf……“, so eine typische Einleitungsformel in der westafrikanischen Erzähltradition. Ganz anders, als in den Europa zumeist bekannten und tradierten Märchen wird in einer Vielzahl der Quellen aus westafrikanischem Erzählgut eine besondere Eigendynamik und Vitalität der Geschichte deutlich, die sowohl durch den Erzähler/ die Erzählerin selbst, als auch von der Zuhörerschaft aktiv mitgestaltet wird.

Auf der Tagung zum Thema „Märchen und andere Narrationen in und über Westafrika“, die vom 02.-04.07.15 an der Europa-Universität Flensburg stattfand, haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Disziplinen und Herkunft Erzähltraditionen aus afrikanischen Ländern näher beleuchtet und sowohl kulturanthropologisch als auch semantisch untersucht. Neben Afrikanisten, Germanisten und Historikern Europas waren auch Wissenschaftler westafrikanischer Länder mit Beiträgen vertreten. So berichtete der Germanist Prof. Mensah Wekenon Tokponto von der Universität Abomey-Calavi (Benin) über die ätiologische Funktion der Erzählungen bei den Fon in seinem Land, gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Sinseingnon Germain Sagbo, der am Beispiel der „Heiligen Wälder“ die aktuelle Bedeutung von Sagen in dieser Kultur hervorhob; ähnliches berichtete auch Akoété Agossou Agboyibo, Masterstudent aus Lomé, der die Funktion der Erzähltradition der Mina in Togo beschrieb. Dr. Elias Asiama von der University of Ghana stellte seinen performativen Ansatz vor. Der Theaterwissenschaftler an der University of Ghana in Legon bei Accra zeigte Filmbeispiele, in denen Studierendengruppen seiner Hochschule ihnen bekannte Märchen „in die Gegenwart“ projizierten, neu definieren und künstlerisch  darstellen. Dabei ging es insbesondere um Fragen der Aufmerksamkeit gegenüber der Natur und des  Umweltschutzes.

Diese gegenwärtige Funktion und Neudefinition brachte auch die Veranstalterin der Tagung, Professorin Bea Lundt von der Europa-Universität Flensburg,  zum Ausdruck. In ihrem Beitrag berichtete sie von ihren Forschungsergebnissen über Lieblingsgeschichten und Mediengewohnheiten ghanaischer Schülerinnen und Schüler. In mehr als 300 Interviews hat sie herausgearbeitet, dass die Jugendlichen Traditionen und Erfahrungen, welche sie durch die innerhalb der Familie erzählten Geschichten bekommen haben, noch immer mit ihren aktuellen lebensweltlichen Problemen verknüpfen.

Aber auch die postkoloniale Kritik am „westlichen Bild Afrikas“ –  auch in den Beiträgen europäischer Referentinnen und Referenten – wurde immer wieder fokussiert. Die oftmals in den Medien überlieferte Darstellung Afrikas wurde somit relativiert und aus diversen Blickwinkeln kritisiert. Erzählungen aus Afrika wurden aber nicht nur theoretisch erschlossen, sondern auch in ihrer Performanz lebendig:  Prof. Tokponto, selber ein begnadeter Erzähler, gab im Rahmen der Tagung in der Buchhandlung Rüffer eine Kostprobe seiner Erzählkunst, die zahlreiche Bürger und Bürgerinnen der Stadt begeistert verfolgten.

Die Tagung setzte Kooperationen über Narrationen in Afrika fort, die 2012 zum Brüder-Grimm-Gedenkjahr mit einer Konferenz am Goethe-Institut Accra begonnen wurden. Diese fand in Zusammenarbeit von Prof. Lundt mit Prof. Ulrich Marzolph (Akademie der Wissenschaften Göttingen) statt, dem ersten deutschen Präsidenten der „International Society for Folk Narrative Research“ (ISFNR). Die Beiträge der Teilnehmenden aus fünf afrikanischen Ländern und Deutschland sind inzwischen publiziert, auch ein Band mit Märchen aus Benin erschien. Marzolph hatte auch zu dieser Tagung in Flensburg ein Grußwort geschrieben.

Die bisherigen Ergebnisse aus den letzten Jahren konnten somit jetzt vertieft und weitere Kooperationen europäischer und afrikanischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vereinbart werden.
(Text: Bea Lundt/ Nina Paarmann, Fotos und Layout Nina Paarmann)

Diese Pressemitteilung findet sich ebenfalls auf der homepage der Europa-Universität Flensburg unter: http://www.uni-flensburg.de/portal-presse-und-oeffentlichkeit/berichte-aus-dem-inneren/tagung-an-der-europa-universitaet-flensburg-ueber-afrikanische-narrationen-aus-interkulturellen-perspektiven-im-rahmen-der-zukunftswoche-2015/

Das Tagungsprogramm:
Bilder der Tagung:

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Finanziell unterstütz wurde diese Tagung von der Europa-Universität Flensburg.

Eine Publikation der Ergebnisse ist in Vorbereitung.

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